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4chan gehackt: Untergang der berüchtigten Internetplattform nach Datendiebstahl?

today16.04.2025

Hintergrund

Die berüchtigte Imageboard-Plattform 4chan steht möglicherweise vor dem Aus. Nach einem schwerwiegenden Hackerangriff, der offenbar durch einen internen Streit zwischen rivalisierenden Foren ausgelöst wurde, sind persönliche Daten von Administratoren und Moderatoren ins Netz gelangt. Besonders pikant: Für eine Webseite, die Anonymität als Grundprinzip hat, könnte diese Enttarnung das Ende bedeuten. Seit gestern ist die Plattform weitgehend offline.

Der Hack: Was wir bisher wissen

4chan gehackt: Untergang der berüchtigten Internetplattform nach Datendiebstahl?

Die ersten Anzeichen des Angriffs wurden sichtbar, als ein seit Jahren gelöschter Bereich der Website plötzlich wieder auftauchte – versehen mit der unmissverständlichen Botschaft „U GOT HACKED“. Cybersicherheitsexperten bestätigen die Echtheit des Angriffs. Kevin Beaumont, ehemaliger Senior Threat Intelligence Analyst bei Microsoft, beschreibt den Vorfall auf BlueSky als „ziemlich umfassende Kompromittierung – inklusive SQL-Datenbanken, Source- und Shell-Zugriff“.

Ein anonymer 4chan-Moderator bestätigte gegenüber TechCrunch: „Ich bin mir sicher, dass die geleakten Daten und Screenshots echt sind. Das ist ein Vorfall von größerer Tragweite als fruehere Leaks.“ Als besonders problematisch gilt, dass die zentrale Konfigurationsdatei „yotsuba.php“ entwendet wurde, die unter anderem E-Mail-Adressen und weitere persoenliche Informationen der Moderatoren enthaelt.

Veraltete Software als Schwachstelle

Technische Analysen deuten darauf hin, dass Sicherheitsluecken in veraltetem PHP-Code und MySQL-Datenbanken den Angriff ermoeglichten. Diese veraltete Infrastruktur bot offenbar eine leichte Angriffsflaeche. Der Tech-Analyst Yushe relativierte auf X: „Es handelt sich nicht um den gesamten Source Code von 4chan, sondern nur um die Hauptdatei.“ Dennoch scheint der Schaden erheblich.

Hintergrund: Der Streit mit „Soyjak.party“

Als Ausloeser des Hacks gilt ein langjaehriger Konflikt zwischen 4chan und dem Abspaltungsforum „Soyjak.party“ (von Insidern auch „sharty“ genannt). Alex Goldman, ein Journalist auf BlueSky, erklaert den Zusammenhang: „Ihr Board /qa/ wurde vor vier Jahren gebannt und sie haben wohl einfach abgewartet. Im Rahmen des Hacks haben sie ihr gebanntes Board wiederhergestellt. Lol.“

Dieser bizarr anmutende Streit um ein Unterforum zeigt die eigentuemliche Kultur der Imageboards. Was von aussen trivial erscheinen mag, kann innerhalb dieser Communities zu langjaehrigen Fehden fuehren – mit realen Konsequenzen.

Eine Internetlegende am Abgrund

Seit seiner Gruendung im Jahr 2003 durch Christopher „moot“ Poole hat 4chan als Brutstaette zahlreicher Internetphaenomene gedient. Hier entstanden populare Memes wie Lolcats, Rickrolling und Pepe the Frog. Die Plattform bringt es auf ueber 22 Millionen monatliche Besucher, davon etwa die Haelfte aus den USA.

Gleichzeitig war 4chan immer wieder Ausgangspunkt fuer kontroverse Bewegungen und Aktionen. Die Hacktivisten-Gruppe Anonymous formierte sich hier, ebenso wie Teile der amerikanischen Alt-Right. Auch die Gamergate-Kontroverse, die 2014 zu massiven Belaestigungskampagnen gegen Frauen in der Gaming-Branche fuehrte, hatte ihre Wurzeln auf 4chan.

Konsequenzen fuer Nutzer und Betreiber

Waehrend die persoenlichen Daten der Administratoren bereits im Umlauf sind, bleibt unklar, ob auch Nutzerdaten betroffen sind. Ein anonymer Moderator aeusserte gegenueber TechCrunch seine Befuerchtungen: „Am meisten Sorgen mache ich mir wegen der geleakten Informationen. Dass Hacker tatsaechlich Kontrolle ueber grosse Teile der Plattform hatten oder noch haben koennten, ist fuer den Fortbestand von 4chan wahrscheinlich schlimmer als einzelne veroeffentlichte Screenshots.“

Besonders beunruhigend fuer viele Nutzer: Es gibt Hinweise darauf, dass auch Daten zahlender Abonnenten („Pass“-Inhaber) kompromittiert sein koennten. In sozialen Netzwerken kursieren bereits besorgte Stimmen: „Wenn wirklich auch IP-Adressen kompromittiert wurden, dann koennte das weitreichende Konsequenzen fuer viele User haben.“

Eine Geschichte voller Kontroversen

Die aktuelle Krise reieht sich ein in eine lange Liste von Turbulenzen rund um 4chan. Bereits 2015 trat Gruender Poole als Administrator zurueck und uebergab die Plattform an Hiroyuki Nishimura, den frueheren Betreiber von 2channel. Unter seiner Fuehrung plagten finanzielle Schwierigkeiten die Seite, die 2016 beinahe zur Schliessung fuehrten.

4chan war in der Vergangenheit in zahlreiche weitere Skandale verwickelt, darund das Hacken von Sarah Palins E-Mail-Konto, die Verbreitung nicht einverstaendlicher Inhalte und in juengerer Zeit auch KI-generierte Fake-Pornografie. The Guardian beschrieb die Community bereits 2008 treffend als „verrückt, jugendlich […] brillant, laecherlich und alarmierend“.

Die Zukunft von 4chan

Die Frage, ob 4chan diesen Angriff ueberleben wird, bleibt offen. Die Kombination aus technischen Schaechten, finanziellen Problemen und nun der Enthuellung der Identitaeten der Moderatoren koennte fuer die Plattform existenzbedrohend sein.

Die Ironie der Situation ist nicht zu uebersehen: Eine Website, die oft selbst zum Ausgangspunkt von Doxxing-Attacken und Hackerangriffen wurde, faellt nun einem solchen zum Opfer. Der anonyme Moderator bringt es gegenueber TechCrunch auf den Punkt: „Doxxing ist seit jeher Teil von 4chans Kultur, aber jetzt betrifft es uns selbst.“

Waehrend die Betreiber bisher keine offiziellen Stellungnahmen abgegeben haben, zeigt die anhaltende Nichterreichbarkeit der Seite die Schwere des Vorfalls. Fuer das Internet koennte das Ende von 4chan – sollte es dazu kommen – eine Zaesur bedeuten, markiert die Plattform doch einen wichtigen, wenn auch kontroversen Teil der digitalen Kulturgeschichte.

Geschrieben von: RadioMonster.FM