Wirtschaft & Politik

Friedensbegriff als Waffe: Wie politische Akteure unser Verständnis von Frieden verzerren

today15.04.2025

Hintergrund

Der Begriff ‚Frieden‘ scheint heute mehr denn je zu einem politischen Kampfbegriff verkommen zu sein. Was einst als universelles Ideal galt, wird zunehmend instrumentalisiert, umgedeutet und für politische Zwecke missbraucht. Besonders auffällig ist diese Entwicklung im Kontext aktueller geopolitischer Konflikte, wo der Friedensbegriff oft von denjenigen vereinnahmt wird, die alles andere als friedliche Absichten verfolgen.

Die Perversion eines universellen Werts

Friedensbegriff als Waffe: Wie politische Akteure unser Verständnis von Frieden verzerren

Stell dir vor, du fährst auf der Autobahn und neben dir taucht ein luxuriöser weißer Tesla auf, geschmückt mit einem auffälligen Aufkleber: „FÜR WELTFRIEDEN“. Was zunächst wie ein nobles Anliegen erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als symptomatisch für die Aushöhlung eines der wichtigsten Begriffe unserer Zeit. Denn während wir alle grundsätzlich für Frieden sind, hat sich die Bedeutung des Wortes selbst verschoben – oft in Richtungen, die dem eigentlichen Konzept zuwiderlaufen.

Diese Entwicklung hat eine lange Vorgeschichte. Seit den 1980er Jahren hat der Neoliberalismus mit seiner Betonung von Eigeninteressen und Wettbewerb den Boden bereitet für eine Welt, in der Solidarität und gemeinsame Werte zunehmend in den Hintergrund treten. In diesem Klima wurden die Bedingungen geschaffen, unter denen globale Konflikte gedeihen können – und gleichzeitig die Sprache verändert, mit der wir über diese Konflikte sprechen.

Wenn Friedensrhetorik kriegerischen Zielen dient

Besonders problematisch wird es, wenn ausgerechnet jene Akteure den Friedensbegriff für sich reklamieren, die autoritäre oder expansive Politik unterstützen. Von Sahra Wagenknecht bis Donald Trump – die Bandbreite derer, die das Wort „Frieden“ im Munde führen, während sie Positionen vertreten, die eher auf Spaltung und Konfrontation ausgerichtet sind, ist bemerkenswert breit.

„Der Begriff ‚Frieden‘ wird heute oft von denjenigen missbraucht, die eigentlich nur den Status quo oder ihre eigene Machtposition sichern wollen“, erklärt Konfliktforscher Dr. Martin Heinemann in einem Interview mit dem Politikmagazin „Perspektiven“. „Wenn ein Aggressor von Frieden spricht, meint er oft die Kapitulation des Gegners – nicht einen echten, auf Gerechtigkeit basierenden Frieden.“

Der Kontext macht den Unterschied

Besonders deutlich wird die Problematik, wenn wir auf die Kontexte schauen, in denen der Friedensbegriff heute verwendet wird. Wenn auf Demonstrationen Slogans wie „Lieber Frieden als TOT“ skandiert werden, klingt das zunächst unwidersprechbar. Doch solche vereinfachenden Parolen verdecken oft die Komplexität internationaler Konflikte und suggerieren falsche Alternativen.

Die Leere solcher Aussagen wird besonders offensichtlich, wenn man sie mit anderen simplen Slogans vergleicht: „Lieber feiern als arbeiten“ oder „Lieber trinken als denken“. Sie klingen eingängig, bieten aber keine ernsthaften Lösungsansätze für komplexe Probleme.

Der Luxuswagen mit dem Friedensaufkleber steht symbolisch für diese Entwicklung: Ein Konsumprodukt, das mit Eigenschaften verbunden ist, die dem Frieden oft entgegenstehen – Verschwendung natürlicher Ressourcen, soziale Ungleichheit, technologischer Überlegenheitsanspruch. Der Aufkleber wird so zur leeren Geste, die mehr über das Selbstbild des Fahrers aussagt als über ein echtes Engagement für den Weltfrieden.

Die Wiedergewinnung eines wertvollen Begriffs

Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Wie können wir den Begriff „Frieden“ aus den Fängen seiner Pervertierung befreien? Wie können wir zu einem Verständnis zurückfinden, das Frieden nicht als Abwesenheit von Konflikt definiert, sondern als Anwesenheit von Gerechtigkeit?

Ein erster Schritt besteht darin, genauer hinzuhören und kritisch zu hinterfragen, wenn der Begriff in politischen Debatten verwendet wird. Wer spricht von Frieden? In welchem Kontext? Mit welchen konkreten Vorschlägen? Und vor allem: Wessen Frieden ist gemeint?

Friedensaktivistin Elena Marković betont: „Echter Frieden bedeutet harte Arbeit an den Grundlagen: soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, Abbau von Ungleichheit. Er lässt sich nicht auf einen Autoaufkleber reduzieren oder als leerer Slogan missbrauchen.“

In einer Zeit, in der globale Konflikte zunehmen, Bündnisse erodieren und gesellschaftliche Fragmentierung voranschreitet, ist es wichtiger denn je, den Begriff des Friedens zu verteidigen – nicht als leeres Schlagwort, sondern als Vision einer Welt, in der Konflikte gewaltfrei gelöst werden und in der alle Menschen in Würde leben können.

Vielleicht solltest du das nächste Mal, wenn dir ein Auto mit einem Friedensaufkleber begegnet, nicht nur schmunzeln, sondern dich fragen: Was bedeutet Frieden wirklich? Und was kannst du konkret dafür tun, um ihn zu fördern – jenseits von Aufklebern und Slogans?

Geschrieben von: RadioMonster.FM