Wirtschaft & Politik

Friedrich Merz bei Caren Miosga: Zwischen Souveränität und ausweichenden Antworten

today14.04.2025

Hintergrund

Während sich Friedrich Merz auf sein neues Amt als Bundeskanzler vorbereitet, stellte er sich gestern den kritischen Fragen von Caren Miosga in ihrer ARD-Talksendung. Der CDU-Chef präsentierte sich überwiegend souverän und fachkundig, offenbarte jedoch auch Schwächen – besonders wenn es darum ging, konkrete Zahlen zu nennen oder Fehler einzugestehen. Die Performance des designierten Kanzlers gewährt einen aufschlussreichen Einblick in seinen Führungsstil und seine politischen Prioritäten kurz vor der entscheidenden Wahl am 6. Mai.

Wirtschaftliche Herausforderungen und gedämpfte Erwartungen

Friedrich Merz bei Caren Miosga: Zwischen Souveränität und ausweichenden Antworten
Michael Lucan, CC BY-SA 3.0 de, via Wikimedia Commons

In Bezug auf die wirtschaftliche Lage Deutschlands zeigte sich Merz realistisch bis pessimistisch. Er dämpfte die Erwartungen an eine schnelle Erholung der deutschen Wirtschaft deutlich und machte klar: „Es wird keinen schnellen Gewinn geben.“ Zwar kündigte er rasche Reformen zur wirtschaftlichen Entlastung an, darunter die Senkung der Energiepreise und Sonderabschreibungen von 30 Prozent für Investitionen, doch die Früchte dieser Maßnahmen würden möglicherweise erst nach 2025 sichtbar werden.

Besonders besorgniserregend scheint für Merz die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zu sein, die er als „eine der großen Unbekannten für unsere Volkswirtschaft“ bezeichnete. Die Wiederherstellung der „preislichen Wettbewerbsfähigkeit“ Deutschlands sei daher ein zentrales Anliegen. Das ambitionierte Ziel der kommenden Regierung: Das Wirtschaftswachstum von aktuell 0,4 Prozent bis 2027 auf zwei Prozent zu steigern.

Außenpolitische Positionierung

Im außenpolitischen Bereich positionierte sich Merz klar, insbesondere in Bezug auf den Ukraine-Konflikt. Er verurteilte den jüngsten russischen Raketenangriff auf Sumy, bei dem über 30 Menschen starben und zahlreiche Zivilisten verletzt wurden, als „schwerstes Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung“ und als „an Perfidie nicht mehr zu überbieten“. In diesem Zusammenhang signalisierte er die Bereitschaft, „Taurus“-Marschflugkörper an Kiew zu liefern, um die ukrainische Armee zu unterstützen.

Zu seinen Plänen für die transatlantischen Beziehungen erklärte Merz, dass er einen Antrittsbesuch in den USA plane, um mit Trump über die Ukraine, China und die Zollpolitik zu sprechen. Auf Miosgas humorvolle Frage nach seinem Golf-Handicap – eine Anspielung auf Trumps Leidenschaft für den Sport – antwortete er ausweichend: „Das ist nicht für die Öffentlichkeit.“

Innenpolitische Positionen und Reformvorhaben

In innenpolitischen Fragen zeigte sich Merz teilweise konkreter. Er formulierte den Wunsch, die Zahl der Asylbewerber unter 100.000 zu drücken, fügte jedoch hinzu: „Nageln Sie mich nicht fest.“ Als Miosga ihn auf das Thema Migration und die Notwendigkeit der Abstimmung mit europäischen Nachbarn ansprach, insbesondere mit Österreich, reagierte Merz merklich gereizt – eine Reaktion, die von Beobachtern als unhöflich wahrgenommen wurde.

Zu den geplanten Steuerreformen betonte Merz, dass alle Maßnahmen im Koalitionsvertrag unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Auf die direkte Frage nach möglichen Steuererhöhungen während seiner Kanzlerschaft wich er aus, indem er darauf hinwies, dass Krisen das „neue Normale“ werden könnten. Eine generelle Ablehnung von Steuererhöhungen vermied er jedoch.

In gesellschaftspolitischen Fragen positionierte sich Merz überraschend progressiv: Auf Miosgas Anfrage, ob homosexuelle Ehepaare beim Adoptionsrecht gleichgestellt wurden, antwortete er mit einem klaren „Ja.“

Die neue Regierungskoalition und ihre Agenda

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD, den Merz als Erfolg lobte, umfasst zahlreiche ambitionierte Projekte: Ein „Wohnungsbau-Turbo“ und eine „WG-Garantie“ im Bereich Wohnen, ein freiwilliger Wehrdienst für die Bundeswehr, ein Kurswechsel beim Asyl ohne generelle Zurückweisungen, eine Erhöhung des Elterngeldes und härtere Strafen für Unterhaltschuldner im Familienbereich, geplante Steuerentlastungen, Steuerreduzierungen für Heizen und Energie sowie Initiativen für günstigeren Strom.

Weitere Punkte sind Sanktionen im Bürgergeld für die Ablehnung von Jobs, mehr Geld für Studenten im Bildungsbereich und große Zusagen mit einer Kehrtwende in der Ukraine-Politik. Merz betonte die gute Zusammenarbeit mit CSU-Chef Markus Söder und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und wies Kritik zurück, die Christdemokraten hätten zu viele Zugeständnisse gemacht.

Persönlicher Führungsstil und Umgang mit Kritik

Besonders aufschlussreich war Merz‘ Umgang mit Fragen zu seinem Führungsstil und zu früheren Aussagen. Als Miosga ihn auf seine früheren kritischen Äußerungen zur Schuldenbremse ansprach und einen Widerspruch zu seiner aktuellen Position andeutete, vermied Merz ein klares Eingeständnis eines möglichen Sinneswandels. Diese mangelnde Bereitschaft zur Selbstkritik wurde von Beobachtern als Schwäche wahrgenommen.

Auch auf die Frage nach seinen schlechten Umfragewerten reagierte Merz ausweichend und meinte, er würde erst in einem Jahr darüber nachdenken. Zum Schluss der Sendung wurde Merz auf seine Fluglizenz angesprochen, worauf er grinsend antwortete: „Ich weigere mich im Augenblick, diese Frage zu stellen“ – ein seltener Moment der Leichtigkeit in einem ansonsten sehr sachlichen Gespräch.

Insgesamt zeigte die Sendung einen Friedrich Merz, der sich bemüht, als staatsmännisch und kompetent zu erscheinen, dabei jedoch an einigen Stellen Schwierigkeiten hat, konkrete Antworten zu geben oder vergangene Positionen kritisch zu reflektieren. Die neue Regierung unter seiner Führung, die er selbst als „Arbeitskoalition“ bezeichnet, steht vor enormen Herausforderungen – sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik. Ob Merz diesen gewachsen sein wird, bleibt abzuwarten.

Geschrieben von: RadioMonster.FM