Wirtschaft & Politik

Mindestlohn-Streit: Warum Merz das 15-Euro-Versprechen der SPD infrage stellt

today13.04.2025

Hintergrund

Der geplante Anstieg des Mindestlohns auf 15 Euro gerät ins Wanken. Nur wenige Tage nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD sorgt die Interpretation der Vereinbarungen für ersten Zündstoff. Während SPD-Chef Lars Klingbeil von einer festen Zusage für einen 15-Euro-Mindestlohn ab 2026 spricht, widerspricht der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz deutlich. Auch bei den geplanten Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen zeigen sich erste Risse im schwarz-roten Bündnis. Der Streit offenbart grundlegende Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der neuen Regierungspartner.

Was im Koalitionsvertrag wirklich steht

Mindestlohn-Streit: Warum Merz das 15-Euro-Versprechen der SPD infrage stellt
Michael Lucan, CC BY-SA 3.0 de, via Wikimedia Commons

Die Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen tatsächlich Interpretationsspielraum. Dort heißt es zum Thema Mindestlohn lediglich: „Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn.“ Eine konkrete Festlegung auf 15 Euro fehlt. Friedrich Merz stellte in einem BILD-Interview klar: „Es wird keinen gesetzlichen Automatismus geben.“ Die Entscheidung liege weiterhin bei der Mindestlohnkommission, die auch einen niedrigeren Betrag festlegen könnte.

Bei der Einkommenssteuer ist die Formulierung im Koalitionsvertrag zwar etwas konkreter: „Wir werden die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken.“ Dennoch betonte Merz: „Nein, die ist nicht fix“, und verwies auf offene Fragen, die während der Koalitionsverhandlungen nicht abschließend geklärt wurden.

Die Position der SPD: Klingbeil hält an 15 Euro fest

Die Sozialdemokraten interpretieren die Vereinbarungen deutlich anders. SPD-Chef Lars Klingbeil beharrt darauf, dass der Mindestlohn gemäß Koalitionsvertrag auf 15 Euro steigen wird. „Der Mindestlohn von 15 Euro wird kommen“, erklärte er selbstbewusst. Diese Aussage steht in direktem Widerspruch zu Merz‘ Darstellung, der betonte: „Das haben wir so nicht verabredet.“

Für die SPD ist die Mindestlohnerhöhung ein zentrales Wahlkampfversprechen gewesen. Nun muss der Koalitionsvertrag noch durch eine Mitgliederbefragung in der SPD bestätigt werden. Ein Abrücken von der 15-Euro-Zusage könnte die Zustimmung der Parteibasis gefährden.

Wie die Mindestlohnkommission entscheidet

Der aktuelle Mindestlohn liegt bei 12,82 Euro pro Stunde. Eine Erhöhung auf 15 Euro würde einer Steigerung von 17 Prozent entsprechen. Die Entscheidungsgewalt über die Höhe des Mindestlohns liegt bei der Mindestlohnkommission, in der jeweils drei Vertreter der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sowie die Vorsitzende Christiane Schönefeld sitzen.

Laut Koalitionsvertrag soll die Kommission bei ihrer Entscheidung sowohl die Tarifentwicklung als auch 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten berücksichtigen. Die nächste Entscheidung zur Anpassung des Mindestlohns steht im Juni 2026 an.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), sieht in der Erwähnung des Zielwerts von 15 Euro im Koalitionsvertrag bereits ein wichtiges politisches Signal: „Die Nennung sendet ein starkes Signal für die Diskussion in der Kommission.“ Sollte die Kommission keinen „armutsfesten“ Mindestlohn beschließen, fordert der DGB eine grundlegende Reform der Entscheidungsfindung innerhalb der Kommission.

Wirtschaftliche Folgen einer Mindestlohnerhöhung

Die Debatte um den Mindestlohn ist auch eine Diskussion über wirtschaftliche Auswirkungen. Ökonom Professor Schularick bezeichnete den Koalitionsvertrag als „Gemischtwarenladen“, der sowohl positive als auch potenziell schädliche Vorschläge enthält. Nach Schätzungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds würden etwa sechs Millionen Menschen direkt von einer Erhöhung des Mindestlohns profitieren.

Jens Spahn, Vize der Unionsfraktion, äußerte sich skeptisch zur Umsetzbarkeit: „Dass wir so viel Wachstum und Lohnentwicklung haben, dass es nächstes Jahr schon gelingt, ist unwahrscheinlich“, sagte er gegenüber ntv. Eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns könnte zu höheren Preisen in verschiedenen Dienstleistungsbereichen führen und damit inflationäre Tendenzen verstärken.

Erste Belastungsprobe für die neue Koalition

Die unterschiedlichen Interpretationen des Koalitionsvertrags stellen bereits wenige Tage nach seiner Unterzeichnung eine erste ernsthafte Belastungsprobe für das schwarz-rote Bündnis dar. Der Dissens offenbart grundlegende Differenzen in der wirtschafts- und sozialpolitischen Ausrichtung der Regierungspartner.

Friedrich Merz scheint dabei eine wirtschaftsliberale Position zu vertreten, während die SPD an ihren sozialpolitischen Kernversprechen festhält. Die Frage nach dem Mindestlohn könnte sich zu einem Grundsatzkonflikt entwickeln, der die Stabilität der Koalition früh auf die Probe stellt.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob es den Koalitionspartnern gelingt, einen Kompromiss zu finden, der sowohl wirtschaftliche Interessen als auch soziale Aspekte angemessen berücksichtigt. Die Diskussion verdeutlicht, dass trotz unterschriebenen Koalitionsvertrags noch viele Details der künftigen Regierungspolitik ungeklärt sind.

15-Euro-Mindestlohn

Geschrieben von: RadioMonster.FM