Musik

Nach dem Hotelprozess: Gil Ofarim öffnet sich über seinen mentalen Zusammenbruch

today20.03.2025

Hintergrund

Acht Monate lang hat sich Gil Ofarim in einer Tagesklinik behandeln lassen, nachdem sein Leben durch den Leipziger Prozess komplett aus den Fugen geraten war. In einem emotionalen Interview spricht der Musiker jetzt erstmals ausführlich über seine psychische Krise nach dem Geständnis, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter erfunden zu haben. Kurz vor seinem ersten Bühnencomeback gewährt er tiefe Einblicke in seine dunkelste Zeit.

Der Zusammenbruch nach dem Geständnis

Nach dem Hotelprozess: Gil Ofarim öffnet sich über seinen mentalen Zusammenbruch

„Ich konnte nicht mehr“, gesteht Gil Ofarim in seinem kürzlich veröffentlichten Interview. Der 42-jährige Musiker beschreibt seinen Zustand nach dem aufsehenerregenden Prozess in Leipzig als vollständigen mentalen Zusammenbruch. „Ich habe die Schuld auf mich genommen, um dem ein Ende zu setzen, ich war nicht mehr fähig, weiterzumachen.“ Diese Worte zeigen, wie schwer die Last auf seinen Schultern wog.

Im November 2023 hatte Ofarim vor dem Landgericht Leipzig eingeräumt, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter des Leipziger Westin erfunden zu haben. Ein Video, in dem er 2021 unter Tränen von dem angeblichen Vorfall berichtete, bezeichnet er heute als „größten Fehler“ seines Lebens. Der Prozess endete mit einer Geldauflage von insgesamt 10.000 Euro, die er an die Israelitische Religionsgemeinschaft in Leipzig und die Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz zahlen musste.

Die psychischen Folgen des Skandals waren für Ofarim verheerend. „Mich hat das sehr krank gemacht, ich will dahin auf keinen Fall wieder zurück!“, erklärt er mit Nachdruck. Die Belastung führte zu einem gefährlichen Teufelskreis: „Ich habe nicht mehr geschlafen. Ich hatte Panikattacken. Also habe ich getrunken, jeden Tag.“ Diese Selbstmedikation verschlimmerte seinen Zustand nur weiter.

Nach dem Prozess zog sich der Sänger vollständig aus der Öffentlichkeit zurück und suchte professionelle Hilfe. Die acht Monate in der Tagesklinik waren für ihn ein notwendiger Schritt, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte damals deutliche Worte gefunden: „Gil Ofarim hat all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt.“

Heute, rund 16 Monate nach dem Ende des Prozesses, versucht Ofarim einen Neuanfang. Die Geldauflage hat er erst im vergangenen Sommer vollständig beglichen, nachdem die Frist verlängert worden war. Für den zu Unrecht beschuldigten Hotelmitarbeiter und dessen Familie hatte der Vorfall weitreichende Konsequenzen. Der Mann wurde öffentlich angefeindet und litt unter erheblichem psychischen Druck.

Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig, kommentierte den Fall mit den Worten: „Der Prozess kennt nur Verlierer – das Hotel, das sich übler Beschimpfungen ausgesetzt sah, die Stadt Leipzig, die sich international zu Unrecht in die antisemitische Ecke gestellt sah. Der Imageschaden für die Stadt und für die Menschen in ganz Ostdeutschland ist immens.“

Die Reaktionen auf Ofarims Comeback-Versuch fallen gemischt aus. In den sozialen Medien zeigen einige Fans Verständnis und Unterstützung, während andere seine Einsicht anzweifeln. Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, hatte schon nach dem Geständnis kritisiert: „Herr Ofarim hat fast zwei Jahre lang einen falschen Vorwurf aufrechterhalten und damit zugelassen, dass ein Mann grundlos beschuldigt wurde und darunter leiden musste. Zugleich hat er mit seinem Verhalten Judenhass Vorschub geleistet.“

In seinem aktuellen Interview räumt Ofarim ein, während des Prozesses auf Rat seiner Anwälte größtenteils geschwiegen zu haben: „Das Einzige, was ich gesagt habe, waren drei Sätze.“ Diese Strategie sieht er heute kritisch. Nun steht er vor der Herausforderung, wieder Fuß in der Musikbranche zu fassen und gleichzeitig mit den Konsequenzen seines Handelns zu leben.

Für viele bleibt die Frage nach dem „Warum“ hinter Ofarims erfundener Geschichte. Philip Peyman Engel, Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, brachte die Problematik auf den Punkt: „Er hat Tür und Tor für den Einwand geöffnet, dass sich Juden Anfeindungen nur ausdenken, um Aufmerksamkeit zu generieren.“ Eine Last, mit der Ofarim nun leben muss, während er versucht, sein persönliches und berufliches Leben wieder aufzubauen.

Geschrieben von: RadioMonster.FM