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Netflix-Serie „Adolescence“ und „Bad Influence“: Wenn digitale Welten Kinder prägen

today18.04.2025

Hintergrund

Die dramatische Serie „Adolescence“ und die Doku „Bad Influence“ dominieren aktuell die Netflix-Charts und lösen intensive gesellschaftliche Debatten aus. Während „Adolescence“ die schleichende Radikalisierung eines Teenagers durch soziale Medien porträtiert, dokumentiert „Bad Influence“ die Schattenseiten des Kidfluencer-Phänomens. Beide Produktionen halten der Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vor und werfen drängende Fragen zur digitalen Kindheit auf.

Der unerwartete Erfolg von „Adolescence“

Netflix-Serie

Die britische Drama-Miniserie „Adolescence“ hat sich mit 124,2 Millionen Views auf Platz 3 der meistgesehenen englischsprachigen Netflix-Serien katapultiert und damit sogar die True-Crime-Serie „Dahmer“ mit 115,6 Millionen Views überholt. Nur die Megahits „Wednesday“ (252,1 Mio. Views) und „Stranger Things“ Staffel 4 (140,7 Mio. Views) liegen noch vor ihr. Dieser beeindruckende Erfolg unterstreicht, wie sehr die Serie den Nerv der Zeit trifft.

Die Geschichte beginnt mit einem schockierenden Auftakt: Die Polizei stürmt das Haus der Familie Miller und verhaftet den 13-jährigen Jamie (dargestellt von Owen Cooper), während seine Eltern fassungslos zusehen müssen. Regisseur Philip Barantini und Drehbuchautor Stephen Graham, der auch Jamies Vater Eddie spielt, erschaffen durch lange, ungeschnittene Sequenzen eine fast dokumentarische Atmosphäre, die den Zuschauer mitten ins Geschehen zieht.

Digitale Radikalisierung als zentrales Thema

digitale Radikalisierung

„Adolescence“ beleuchtet schonungslos die Schattenseiten der digitalen Jugendkultur. Die Serie zeigt, wie Teenager wie Jamie durch Algorithmen und geschlossene Communities in problematische Gedankenwelten abdriften können – oft unbemerkt von ihren Eltern. Besonders eindringlich ist ein psychologisches Duell zwischen Jamie und der Ermittlerin Briony Ariston (Erin Doherty), das die inneren Konflikte des Jungen offenlegt.

Die Kritiker sind begeistert: „Adolescence“ erreicht auf „Rotten Tomatoes“ eine Bewertung von 99 Prozent. Das Publikum reagiert mit 73 Prozent etwas verhaltener – vermutlich wegen der unbequemen Themen, die die Serie anspricht. Die visuelle Darstellung von Chats und Social-Media-Posts verdeutlicht eindrucksvoll die fragmentierte Wahrnehmung der jungen Generation und zeigt, wie soziale Medien nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Selbstverständnis junger Menschen grundlegend verändern.

„Bad Influence“ überholt „Adolescence“ in den Charts

Trotz des enormen Erfolgs musste „Adolescence“ kürzlich den Spitzenplatz in den wöchentlichen Netflix-Charts an die neue Doku-Serie „Bad Influence: Die Schattenseite von Kidfluencing“ abgeben. Diese hat es mit nur drei Episoden geschafft, in der Woche vom 7. bis 13. April 2025 9,8 Millionen Views zu sammeln. „Adolescence“ liegt mit 9,7 Millionen Views nur knapp dahinter – allerdings hatte „Bad Influence“ dafür nur fünf Tage Zeit, da sie erst am 9. April startete.

„Bad Influence“ thematisiert die Schattenseiten des Kidfluencer-Phänomens am Beispiel der YouTuberin Piper Rockelle, die von ihrer Mutter Tiffany Smith zum Internet-Star aufgebaut wurde. Ein ehemaliges Mitglied des sogenannten „Squads“ um Piper, Corinne Joy, berichtet in der Dokumentation über verstörende Erfahrungen: „Ich erinnere mich daran zurückgehalten worden zu sein… Wir mussten Liebesgeschichten spielen mit Kindern aus dem Team – egal ob wir wollten oder nicht.“

Gesellschaftliche Reaktionen und Unterstützungsangebote

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat auf die intensiven Diskussionen reagiert, die „Adolescence“ ausgelöst hat. In einem Post auf sozialen Medien betont das Ministerium: „Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass unsere Kinder stark, selbstbewusst und sicher aufwachsen.“ Es wurden konkrete Unterstützungsangebote für Eltern sowie Kinder und Jugendliche zusammengestellt, um Hilfestellung in schwierigen Situationen zu bieten.

In den Kommentaren teilen Eltern ihre Erfahrungen. Eine Nutzerin namens Fritzi von Hessen schreibt: „Gesehen, ja. Sorgen nein. Meine drei Söhne sind zwischen 15 und 22… Sie sind mir heute noch dankbar, dass ich meine Fürsorgepflicht ernst genommen habe.“ Andere schlagen vor, die Serie auch in Schulen zu zeigen, um Jugendliche für die Thematik zu sensibilisieren.

Der renommierte Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Zimmer äußert sich besorgt über den Einfluss solcher Inhalte: „Serien wie ‚Adolescence‘ zeigen eindrucksvoll das Spannungsfeld zwischen digitaler Selbstinszenierung junger Menschen und realen Gefahren durch Radikalisierung oder Manipulation.“

Die Verantwortung der Eltern in der digitalen Welt

Beide Netflix-Hits verdeutlichen, wie wichtig eine aktive Begleitung von Kindern und Jugendlichen in der digitalen Welt ist. Während Eltern oft im Dunkeln über die Online-Aktivitäten ihrer Kinder sind, formen Plattformen wie TikTok und Snapchat bereits deren Weltanschauung. Das Ministerium verweist daher auf Initiativen wie „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht“, die Eltern dabei unterstützen, die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder besser zu verstehen und zu begleiten.

Die Medienkritikerin Anja Rützel kommentiert zum Start von „Bad Influence“: „Was hier an Ausbeutung sichtbar wird – das ist kein Einzelfallproblem mehr.“ Sie betont, wie systematisch Minderjährige für Reichweite instrumentalisiert werden – oft ohne ausreichenden Schutz durch Erwachsene oder Plattformbetreiber.

Beide Produktionen – „Adolescence“ und „Bad Influence“ – vermeiden einfache Schuldzuweisungen und fordern stattdessen ein kollektives Verantwortungsbewusstsein. Eltern, Pädagogen und Medienvertreter müssen die digitale Entwicklung verstehen und begleiten, um Kinder vor den Schattenseiten des Internets zu schützen. Am Ende wird eine zentrale Botschaft deutlich: Ohne Orientierung und Begleitung kann der Weg in die digitale Welt schnell gefährlich werden.

Geschrieben von: RadioMonster.FM