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today04.04.2025
In den frühen 1980er Jahren fand Nick Cave, damals ein junger australischer Musiker am Scheideweg seiner Karriere, in West-Berlin einen kreativen Zufluchtsort. Die Stadt, umgeben von der Mauer und geprägt von postindustrieller Atmosphäre, bot dem aufstrebenden Künstler genau die richtige Mischung aus Düsternis, künstlerischer Freiheit und Anonymität. Was als vorübergehender Aufenthalt begann, entwickelte sich zu einer musikalischen Metamorphose, die den Grundstein für Cave’s Status als einer der bedeutendsten Rock-Noir-Stars der Gegenwart legte.
Der damals 25-jährige Nick Cave strandete 1982 zunächst allein in West-Berlin, bevor er im August mit seiner Band The Birthday Party vollständig in die Stadt zog. Die Gruppe hatte bereits im Juni desselben Jahres ein Konzert in West-Berlin gegeben, bei dem die lokale Post-Punk-Band Die Haut als Support auftrat – eine Begegnung, die sich als schicksalhaft erweisen sollte.
Berlin bot Cave nicht nur ein neues kreatives Umfeld, sondern auch praktische Vorteile. Die Mieten waren erschwinglich – 400 D-Mark für 250 Quadratmeter mit Proberaum im Keller – ein wahrer Luxus für einen Künstler am Anfang seiner Karriere. Die Stadt selbst, mit ihrer geteilten Identität und dem atmosphärischen Grau des Kalten Krieges, spiegelte perfekt die düstere Ästhetik wider, die Cave in seiner Musik kultivierte.
Diese Berliner Phase markiert einen entscheidenden Wendepunkt in Caves künstlerischer Entwicklung. Nach der Auflösung von The Birthday Party begann er, mit den Bad Seeds eine neue musikalische Richtung einzuschlagen. In Berlin entstanden ikonische Werke wie „Tupelo“ aus dem Album „The Firstborn Is Dead“ (1985), „The Carny“ von „Your Funeral… My Trial“ (1986) und der intensive Song „The Mercy Seat“, der bis heute zu seinen bedeutendsten Stücken zählt.
Die Zusammenarbeit mit der Berliner Band Die Haut führte zur Aufnahme des Albums „Burnin‘ the Ice“, bei dem Cave vier von sieben Tracks einsang. Diese experimentelle Platte, die krachige Gitarren mit Caves leidenschaftlichem Gesang verband, wird heute vom Label Hit Thing als „Ticket ins diffuse und abenteuerliche Berlin“ beschrieben und wurde kürzlich wiederveröffentlicht.
„In Berlin fand ich die Freiheit, meine eigene künstlerische Stimme zu entwickeln“, erklärte Cave in einem Interview. „Die Stadt hatte etwas Rohes, Unvollendetes, das perfekt zu meiner damaligen Stimmung passte.“
Die Stadt selbst mit ihren damals noch kriegsvernarbten Gebäuden, verlassenen Fabriken und der allgegenwärtigen Mauer bot Cave eine düstere Kulisse, die seine Texte und musikalischen Kompositionen beeinflusste. Die Berliner Clubszene, insbesondere legendäre Orte wie der Dschungel oder das SO36, wurden zu seinen nächtlichen Streifzügen und lyrischen Inspirationsquellen.
Caves Berliner Wohnung wurde schnell zu einem Treffpunkt für Gleichgesinnte. Hier versammelten sich Musiker, Künstler und Literaten, die die kreative Energie der Stadt in sich aufsogen und weitergaben. Diese kollaborative Atmosphäre half Cave dabei, seine künstlerische Vision zu schärfen und weiterzuentwickeln.
Die Berliner Jahre waren für Cave jedoch nicht nur von kreativer Produktivität geprägt. Seine Heroinsucht, die bereits vor seiner Ankunft in der Stadt begonnen hatte, vertiefte sich hier. Die Droge wurde Teil seines künstlerischen Prozesses, aber auch zu einem dunklen Schatten, der über seinem Leben hing.
„Berlin bot damals einen Raum, in dem man sich verlieren konnte“, reflektierte Cave später. „Die Stadt hatte keine Regeln, keine Grenzen – außer natürlich der Mauer selbst.“ Diese Grenzenlosigkeit manifestierte sich sowohl in seiner künstlerischen Freiheit als auch in seiner zunehmenden Abhängigkeit.
Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieser persönlichen Dämonen schuf Cave in Berlin einige seiner eindringlichsten Werke. Die Intensität seiner Berliner Aufnahmen trägt die Spuren dieser turbulenten Zeit, in der existenzielle Abgründe und kreative Höhenflüge eng miteinander verwoben waren.
Nach einigen Jahren in Berlin zog es Cave nach São Paulo, getrieben von einer neuen Liebe und dem Wunsch, seiner Heroinsucht zu entkommen. Mit dem Album „The Good Son“ (1990) begann eine neue, mildere Phase in seinem Schaffen, die den rauen Berliner Sound hinter sich ließ.
Dennoch bleibt Berlin ein wichtiger Meilenstein in Caves Karriere. Die Stadt fungierte als Katalysator für seine Transformation vom Frontmann einer Post-Punk-Band zu einem eigenständigen Künstler mit einer unverwechselbaren Vision. Die in Berlin gelegten musikalischen Grundlagen trugen ihn durch verschiedene kreative Phasen – vom experimentellen Rock der frühen Bad Seeds-Alben über die Grinderman-Ära bis hin zu seinem heutigen Status als einer der bedeutendsten Rock-Noir-Stars.
Heute, mehr als vier Jahrzehnte nach seinen Berliner Anfängen, hat sich Nick Cave mit über 60 Jahren von einer Szene-Ikone zum weltweiten Star entwickelt. Sein Signature-Song „Red Right Hand“ erlangte durch die Serie „Peaky Blinders“ neue Popularität und machte ihn einer jüngeren Generation zugänglich. Sein aktuelles Album „Wild God“ zeigt, dass Cave auch heute noch die Fähigkeit besitzt, emotionale Zustände eindringlich in Musik zu verwandeln.
Die Berliner Jahre bleiben jedoch ein faszinierendes Kapitel in der Geschichte eines Künstlers, der in einer gespaltenen Stadt seine eigene musikalische Identität fand. Wie Cave selbst einmal sagte: „Es gibt keinen Masterplan, wenn wir ein Album machen; sie spiegeln vielmehr den emotionalen Zustand der Schöpfer wider.“ Und in Berlin war dieser emotionale Zustand so roh, intensiv und authentisch wie die Stadt selbst.
Geschrieben von: RadioMonster.FM
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