Politische Krise in der Türkei: Ehemaliger CHP-Politiker beantragt die Annullierung des außerordentlichen Parteitags

Die Republikanische Volkspartei (CHP) der Türkei steht vor einer bedeutenden internen Krise. Der ehemalige Bürgermeister von Hatay, Lütfü Savaş, hat gemeinsam mit zwei weiteren Personen beim Gericht einen Antrag auf Annullierung des für den 6. April 2025 geplanten außerordentlichen Parteitags eingereicht. Dieser überraschende Schritt verschärft die bereits bestehenden Spannungen innerhalb der größten Oppositionspartei des Landes und wirft Fragen über ihre Zukunft auf.

Hintergründe des Konflikts

Lütfü Savaş, der im Dezember 2024 aus der CHP ausgeschlossen wurde, argumentiert in seinem Antrag, dass bei der Entscheidung für den außerordentlichen Parteitag die „Willensbildung der Delegierten beeinträchtigt wurde“. Er und seine Mitstreiter berufen sich auf laufende Ermittlungen, um ihre Forderung zu untermauern.

Der Ausschluss von Savaş aus der Partei erfolgte nach einem kontroversen Social-Media-Beitrag, in dem er behauptete: „Die heutige CHP ist damit beschäftigt, sich zu ‚DEMisieren'“. Mit dieser Aussage kritisierte er die vermeintliche Annäherung der CHP an die pro-kurdische DEM-Partei, was innerhalb der Partei für erhebliche Verstimmungen sorgte.

Die Verteidigung des Parteivorsitzenden

CHP-Generalsekretär Özgür Özel hatte den außerordentlichen Parteitag am 21. März angekündigt und dabei einen bemerkenswerten Grund genannt: Die Partei wolle damit angeblichen Plänen zuvorkommen, einen Treuhänder (Kayyım) für die CHP einzusetzen, was die bevorstehenden Wahlen gefährden könnte.

„Wir haben die Vorbereitungen derjenigen gesehen, die versuchen, der CHP einen Treuhänder aufzuzwingen und die Wahlen am Sonntag zu verhindern“, erklärte Özel bei seiner Ankündigung. „Wir geben hiermit allen in der Türkei bekannt, dass wir beschlossen haben, einen außerordentlichen Parteitag einzuberufen, um so die Versuche, einen Treuhänder einzusetzen, zu verhindern.“

Machtkampf nach dem Führungswechsel

Die aktuellen Spannungen sind Teil eines größeren Konflikts, der seit dem letzten Führungswechsel in der CHP schwelt. Nach der Niederlage von Kemal Kılıçdaroğlu bei den Präsidentschaftswahlen 2023 übernahm Özgür Özel am 8. November 2023 die Parteiführung. Dieser Machtwechsel erfolgte während des 38. ordentlichen Parteitags am 4. und 5. November, bei dem die „Veränderungs“-Fraktion um Özel und den Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu die Mehrheit errang.

Lütfü Savaş gehört offenbar zu jenen Parteivertretern, die mit dieser neuen Führung und der eingeschlagenen Richtung unzufrieden sind. Seine Kritik an einer vermeintlichen Annäherung an die DEM-Partei spiegelt tiefere ideologische Spaltungen innerhalb der CHP wider.

Politische Implikationen

Der Rechtsstreit um den außerordentlichen Parteitag könnte weitreichende Folgen für die türkische Opposition haben. Sollte das Gericht dem Antrag von Savaş stattgeben, könnte dies die Handlungsfähigkeit der CHP einschränken und möglicherweise sogar den Weg für eine externe Einflussnahme ebnen – genau das Szenario, das Özel mit dem außerordentlichen Parteitag verhindern wollte.

Politische Beobachter sehen in diesen Entwicklungen auch einen Vorteil für die regierende AKP unter Präsident Erdoğan. Eine geschwächte und zerstrittene Opposition erleichtert es der Regierungspartei, ihre Politik ohne wirksamen Widerstand durchzusetzen.

Reaktionen aus der Partei

Innerhalb der CHP hat der Antrag von Savaş unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Während einige Parteimitglieder seine Aktion als Verrat betrachten, sehen andere darin ein legitimes Mittel, um gegen eine vermeintliche ideologische Verschiebung der Partei vorzugehen.

In sozialen Netzwerken wurde Savaş bereits aufgefordert, seinen Antrag zurückzuziehen: „Bitte nehmen Sie Ihren Antrag zurück. Sie machen einen Fehler“, lautete ein an ihn gerichteter Appell.

Die nächsten Tage werden zeigen, wie die Justiz mit diesem politisch heiklen Fall umgeht und welche Auswirkungen dies auf die größte Oppositionspartei der Türkei haben wird. Mit Spannung wird auch die Reaktion der Parteibasis erwartet, die zwischen den unterschiedlichen Flügeln und Interessen steht.