Wirtschaft & Politik

Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert: Was Streikende und Bürger jetzt wissen müssen

today18.03.2025

Hintergrund

Die Tarifverhandlungen für mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sind nach intensiven Gesprächen gescheitert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verkündete am Montagabend die Anrufung der Schlichtung, nachdem die viertägigen Verhandlungen in der dritten Runde zu keinem Ergebnis führten. Während des nun anstehenden Schlichtungsverfahrens gilt eine Friedenspflicht – Warnstreiks sind in dieser Zeit untersagt. Doch was bedeutet das konkret für Beschäftigte und Bürger?

Die Kernforderungen und das Angebot

Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gescheitert: Was Streikende und Bürger jetzt wissen müssen

Der Streit zwischen den Tarifparteien dreht sich um deutliche Unterschiede bei den finanziellen Vorstellungen. Ver.di und der Beamtenbund dbb forderten ursprünglich eine Tariferhöhung um 8 Prozent, mindestens aber 350 Euro mehr pro Monat. Zusätzlich standen drei weitere freie Tage und mehr Souveränität bei der Arbeitszeit auf der Forderungsliste.

Die Arbeitgeberseite bot hingegen eine Erhöhung der Entgelte um 5,5 Prozent, ein höheres 13. Monatsgehalt und verbesserte Schichtzulagen an. Zudem schlugen sie ein „Zeit-statt-Geld-Modell“ vor, bei dem Beschäftigte Teile ihrer Jahressonderzahlung in freie Tage umwandeln könnten.

Ver.di-Vorsitzender Frank Werneke kritisierte in Potsdam: „Wir haben uns bis an die Schmerzgrenze bewegt. Die Arbeitgeber haben unsere Einigungsvorschläge abgelehnt.“ Besonders die Forderungen nach ausreichenden linearen Erhöhungen, einem Mindestbetrag als soziale Komponente, besseren Regelungen zur Altersteilzeit sowie zeitgemäßen Arbeitszeitkonten seien von den Arbeitgebern verweigert worden.

Die Auswirkungen der gescheiterten Verhandlungen

Das Scheitern der Verhandlungen führt nun zur Anrufung der Schlichtung. Als Schlichter wurden der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für die Arbeitgeberseite und der frühere Bremer Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr (SPD) für die Arbeitnehmerseite ernannt. Die Schlichtungskommission besteht insgesamt aus zwei unparteiischen Vorsitzenden und je zwölf Vertretern der Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite.

Während der Schlichtung gilt die Friedenspflicht, wodurch Streiks bis zum Ende der Verhandlungen über das Schlichtungsergebnis ausgesetzt sind. Die Kommission muss innerhalb einer Woche nach ihrem ersten Zusammentreffen eine Empfehlung vorlegen. Der Schlichtungsort wird traditionell geheimgehalten, um ungestörte Verhandlungen zu ermöglichen.

Streikmaßnahmen vor der Schlichtung

Noch vor dem Beginn der Schlichtung haben die Gewerkschaften zu Warnstreiks aufgerufen. In Kiel legten am 18. März Beschäftigte der Stadtwerke, des städtischen Krankenhauses, der Verkehrsüberwachung, der Müllabfuhr und kommunaler Kindertagesstätten die Arbeit nieder. Von 36 städtischen Kitas blieben 25 komplett geschlossen, in elf weiteren gab es nur eingeschränkte Betreuung in Notgruppen.

Beim Streikfrühstück in Kiel versammelten sich laut ver.di etwa 1.500 Menschen (nach Polizeiangaben etwa 300). Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Manuel Gellenthin betonte dort: „Das anstehende Schlichtungsverfahren führt nicht automatisch zu einem Abschluss, sondern zunächst zu einer Schlichtungsempfehlung. Inwieweit die Empfehlung als Abschluss akzeptiert werden kann, entscheiden die ver.di-Mitglieder.“

Für den 19. März wurden weitere Warnstreiks in Lübeck und Umgebung angekündigt, die zahlreiche öffentliche Einrichtungen betreffen sollten. Markus Ameln, Gewerkschaftssekretär für den öffentlichen Dienst in Lübeck, warnte: „Dieser Streik ist erst der Anfang. Wenn die Arbeitgeber nicht endlich Verantwortung übernehmen, wird der Arbeitskampf weiter eskalieren.“

Die Positionen der Tarifparteien

Die Positionen beider Seiten liegen noch weit auseinander. Während Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont, die Arbeitgeber seien „bis an die Grenze dessen gegangen, was sie für die öffentlichen Haushalte verantworten könnten“, sehen die Gewerkschaften ihre Kernforderungen nicht erfüllt.

Nach Faesers Aussage umfasste das Angebot der Arbeitgeberseite Entgelterhöhungen, die „zum Teil über den jüngsten Tarifabschlüssen von Ver.di in anderen Branchen liegen“, eine erhebliche Erhöhung der Jahressonderzahlung „zu einem echten 13. Monatsgehalt“ sowie starke Erhöhungen bei Schichtdienstzulagen.

In den Wochen vor der gescheiterten dritten Verhandlungsrunde hatten zehntausende Beschäftigte gestreikt; allein in der Woche vor der dritten Runde beteiligten sich über 150.000 Streikende bundesweit. Werneke betonte: „Nach dieser Verhandlungsrunde sind die Beschäftigten hochmotiviert, weiter für ihre Forderungen zu kämpfen.“

Wer ist betroffen?

Die Verhandlungen betreffen Beschäftigte in verschiedenen Bereichen wie Kliniken, Kitas, Flughäfen, Nahverkehr, Bädern, Pflegeeinrichtungen, Klärwerken und Abfallbetrieben. Der Großteil ist nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) beschäftigt. Beamtinnen und Beamte sind nicht direkt betroffen, jedoch wird der Abschluss üblicherweise später auf sie übertragen. Beschäftigte der Länder fallen ebenfalls nicht unter diese Verhandlungen, da für sie separat verhandelt wird.

Ver.di führt die Verhandlungen auch für weitere Gewerkschaften wie GdP, GEW, IG BAU sowie gemeinsam mit dbb beamtenbund und tarifunion. Das Ergebnis soll auf Beamte, Richter, Soldaten sowie Versorgungsempfänger übertragen werden.

Ausblick und nächste Schritte

Faeser betonte: „Wir setzen darauf, dass es jetzt – mit der Schlichtung – einen Abschluss in den nächsten Wochen gibt.“ Das Schlichtungsverfahren könnte einen Kompromiss hervorbringen, der für beide Seiten akzeptabel ist.

Sollte die Schlichtung scheitern, könnten erneut Streiks drohen, die dann deutlich umfangreicher ausfallen dürften als die bisherigen Warnstreiks. Die Gewerkschaften haben bereits signalisiert, dass sie bei einem unzureichenden Angebot zu weiteren Arbeitskampfmaßnahmen bereit wären.

Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet die aktuelle Situation zunächst eine Verschnaufpause von Streiks während der Schlichtung. Allerdings bleibt die Unsicherheit, ob und in welchem Umfang es nach der Schlichtung zu weiteren Einschränkungen im öffentlichen Dienst kommen könnte.

Geschrieben von: RadioMonster.FM