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Wahre Kriminalfälle auf der Leinwand: Von Reemtsma bis Dagobert

today24.04.2025

Hintergrund

Wenn das Kino die Realität einholt, entstehen oft die packendsten Geschichten. Die wahren Kriminalfälle, die es auf die große Leinwand oder in TV-Dokumentationen geschafft haben, faszinieren uns besonders – denn hier vermischt sich die Spannung eines Thrillers mit dem Wissen, dass sich diese schockierenden Ereignisse tatsächlich zugetragen haben. Von spektakulären Entfuehrungen bis hin zu legendären Erpressungen: Die wahren Geschichten hinter den Filmen sind oft noch unglaublicher als jedes fiktive Drehbuch.

Die 33 Tage des Jan Philipp Reemtsma

Wahre Kriminalfälle auf der Leinwand: Von Reemtsma bis Dagobert
Amrei-Marie, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Einer der aufsehenerregendsten Kriminalfälle Deutschlands war die Entfuehrung des Millionenerben und Literaturwissenschaftlers Jan Philipp Reemtsma im Jahr 1996. Ueber 33 Tage hielten die Entfuehrer ihn in einem Keller in Garlstedt gefangen, angekettet und mit einer Kalaschnikow bedroht. Die Bilder des an die Wand geketteten Reemtsma auf Polaroidfotos brannten sich ins kollektive Gedaechtnis ein.

Die Verfilmung dieses Falls vermittelt die beklemmende Atmosphaere der Gefangenschaft und die akribische Polizeiarbeit, bei der taeglich ueber verschluesselte Botschaften in der „Hamburger Morgenpost“ der Kontakt zu den Entfuehrern gesucht wurde. Reemtsma selbst beschrieb spaeter die psychische Belastung waehrend seiner Gefangenschaft mit den Worten: „Was permanent vorhanden war, war Angst und Verzweiflung. Und die ist dauernd da. Fuellt diesen Raum.“

Der Haupttaeter Thomas Drach wurde erst zwei Jahre spaeter in Argentinien gefasst und zu mehr als 14 Jahren Haft verurteilt. Die filmische Umsetzung dieser internationalen Fahndung zeigt eindrucksvoll, wie das kriminelle Netzwerk schliesslich zerschlagen wurde. Nach seiner Freilassung betonte Reemtsma bei einer Pressekonferenz: „Ich danke Ihnen fuer Ihre Zurueckhaltung in dieser Zeit“ – ein Dank an die Medien, die waehrend der Entfuehrung bemerkenswert still geblieben waren.

Dagobert – Der Kaufhaus-Erpresser als Volksheld

Ein voellig anderer Fall, der denem das Publikum in seinen Bann zog, war die Geschichte von Arno Funke, besser bekannt als „Dagobert“. Die ARD-Dokumentation „Jagd auf Dagobert – Vom Verbrecher zum Volkshelden“ beleuchtet, wie der Kaufhaus-Erpresser in den 1990er Jahren zur Medienikone wurde. Mit dem Spruch „Onkel Dagobert gruesset seine Neffen“ kunndigte er in Zeitungsanzeigen seine Gelduebergaben an und fuehrte die Polizei immer wieder an der Nase herum.

Was die Verfilmung so fesselnd macht, ist die Tatsache, dass Funke trotz seiner Straftaten zum Volkshelden avancierte. Eine Umfrage aus dem Jahr 1993 ergab, dass 61 Prozent der Befragten ihn sympathisch fanden. Die Dokumentation zeigt, wie er die „Wildwest-Mentalitaet“ der Nach-Wende-Zeit geschickt fuer seine Zwecke nutzte, indem er von Telefonzellen Ost Berlin operierte.

Besonders interessant ist der Wandel Funkes nach seiner Verhaftung im April 1994 und der anschliessenden Verurteilung zu neun Jahren Haft. Heute reflektiert er selbstkritisch: „Das tut mir leid. Das ist leider nicht mehr zu aendern.“ Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Jahr 2000 nutzte er seine Bekanntheit fuer eine zweite Karriere: Er zeichnete fuer das Satiremagazin „Eulenspiegel“, veroeffentlichte eine Autobiografie und nahm sogar am RTL-„Dschungelcamp“ teil.

Die Verfilmungen dieser wahren Kriminalfaelle bieten mehr als nur Unterhaltung. Sie geben Einblick in die Psychologie der Taeter, die Ermittlungarbeit der Polizei und die gesellschaftlichen Reaktionen. Bei der Reemtsma-Entfuehrung waren es die Professionalitaet der Taeter und die aussergewoehnlichen Umstaende, die den Fall so besonders machten. Ermittler berichten noch heute von schlaflosen Naechten waehrend der Suche nach dem Versteck und den Herausforderungen bei den Gelduebergaben.

Bei Dagobert war es die Robin-Hood-Mentalitaet, die viele Menschen faszinierte. Die Verfilmung zeigt jedoch auch die andere Seite: die Angst der Kaufhausangestellten und den enormen Druck auf die Ermittler, die in der oeffentlichen Wahrnehmung oft uebersehen wurden.

Beide Faelle haben die deutsche Kriminalgeschichte geprägt und sind durch ihre filmische Aufarbeitung Teil des kulturellen Gedaechtnisses geworden. Jan Philipp Reemtsma hat sich nach seiner Entfuehrung als bedeutender Maezen und Foerderer kultureller Projekte etabliert, waehrend Arno Funke heute als Referent an Universitaeten ueber Resozialisierung spricht.

Die Verfilmungen dieser wahren Kriminalfaelle erinnern uns daran, dass die Realität manchmal die spannendsten Geschichten schreibt. Sie bieten nicht nur Nervenkitzel, sondern regen auch zum Nachdenken ueber Gerechtigkeit, Medienethik und gesellschaftliche Werte an. Wie Funke selbst ueber sein Leben nach den Straftaten sagt: „Mein Leben hat durch die Taten eine voellig andere Richtung bekommen.“ Das gleiche gilt fuer die Zuschauer dieser Filme – sie verlassen den Kinosaal oder schalten den Fernseher aus mit dem Wissen, dass die unglaublichsten Geschichten often nicht erfunden werden muessen.

Geschrieben von: RadioMonster.FM